Jenseits der Tore (German Edition) by Daniel Garden

Jenseits der Tore (German Edition) by Daniel Garden

Autor:Daniel Garden [Garden, Daniel]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-08-09T22:00:00+00:00


Der Schützenverein.

Ich stehe auf der anderen Straßenseite, trete unruhig von einem Bein auf das andere und beobachte das Haus. Ich ziehe an meiner Zigarette, sehe sie Stück für Stück, Zug um Zug, schrumpfen.

Ich muss sowieso da rein. Rausschieben bringt auch nix.

Das Gebäude, vor dem ich stehe, befindet sich im Norden der Stadt, nahe an dem Gewerbegebiet. Ich kann ab und an das Kreischen einer Maschine oder schwere Motoren wahrnehmen. Es ist ein flaches Gebäude, nur ein Stockwerk hoch, die Farbe war früher wohl einmal Weiß, jetzt ist sie gelblich und an vielen Stellen abgeblättert, Unkraut wächst an der Hausmauer hinauf. Im Großen und Ganzen macht das Gebäude auf mich weder einen guten noch einen bewohnten Eindruck. Der Eingang liegt ebenerdig und ist eine grün lackierte Holztür, keine Fenster, nicht in der Tür, nicht an der Frontseite des Gebäudes. Ein ebenfalls grüner Kasten mit einer durchsichtigen Abdeckplatte hängt daneben.

Mein Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand werden warm, schnell schnippe ich den Zigarettenstummel weg, bevor die glühende Asche den Filter erreicht und meine Finger verbrennt. Nicht mehr länger hinausschieben.

Entschlossenen Schrittes gehe ich auf die Tür zu, ohne eine Vorstellung, was ich überhaupt tun soll, wie ich vorgehen soll. Ich weiß nicht einmal, ob überhaupt jemand da ist, oder wenn, ob man mich einlassen wird. Vor dem Kasten neben der Tür bleibe ich stehen, es hängen mehrere Informationszettel darin, nächstes Turnier, gegenwärtiger Schützenkönig, sinnloses Zeug, das mich nicht im mindesten interessiert. Zeiten und Tage, wann man hierherkommen kann, wann geöffnet ist, wann jemand da ist, finde ich nicht. Hat ein Schützenverein überhaupt so etwas wie Öffnungszeiten? Oder kommen hier jeden Tag die verhinderten Freizeitsoldaten und -jäger hin, um sich zu messen und vielleicht damit anzugeben, wie gut man die Zielscheibe trifft, mehrere Bier miteinander zu kippen und dann betrunken nach Hause zu gehen, vielleicht noch die Frau flachlegen, mit oder gegen ihren Willen. Ich verziehe schmerzhaft das Gesicht bei diesem Gedanken, die Erinnerung ist noch frisch und das Erlebnis schmerzt tief in meinem Inneren, widerspricht allem, was ich als gut ansehe.

Ich werde es einfach versuchen.

Und noch während der Gedanke an Sarahs Vater durch mein Gehirn schwebt wie ein Schirmflieger eines Löwenzahns, drücke ich die Türklinke hinunter, bevor ich mich umentscheiden kann. Sie lässt sich öffnen und schwenkt nach innen auf. Der Korridor, in den ich blicke, ist schmal und dunkel, der Boden mit grau-blauen Fliesen ausgelegt, die Wände weiß gestrichen, an der Decke hängen zwei Reihen Neonröhren, zu denen ich aber keinen Lichtschalter entdecken kann.

„Hallo?“, rufe ich fragend hinein.

Keine Antwort. Also trete ich zögernd ein. Der Gang ist schmal, ich könnte beide Wände gleichzeitig berühren, wenn ich die Hände ausstrecken würde, und führt scheinbar in gerader Linie bis an den hinteren Teil des Gebäudes. Ich gehe ein paar Schritte, dann fällt mit einem lauten Krachen die Tür hinter mir ins Schloss und lässt mich erschrocken umblicken.

Wie jedes knallende, krachende, blitzende, laute Geräusch, kommt mir in den Sinn. Gebrandmarkt für den Rest meines Lebens, dazu verdammt, jedes Mal zusammenzuzucken, Erinnerungen wachzurufen? Ich hoffe nicht, aber wahrscheinlich wird es so kommen.



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